AZ-Interview

Michael Patrick Kelly: Klosterluft sorgt für Freiheit


Der irisch-amerikanische Sänger Michael Patrick Kelly steht in der Christuskirche Mainz neben der Friedensglocke, die ihn auf seiner Tour begleiten wird.

Der irisch-amerikanische Sänger Michael Patrick Kelly steht in der Christuskirche Mainz neben der Friedensglocke, die ihn auf seiner Tour begleiten wird.

Von Bernhard Lackner

Michael Patrick Kelly spricht im AZ-Interview über seine Auszeit und sein Konzert im nächsten Jahr auf dem Königsplatz.

Vor fünf Wochen, genau 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, setzte der Musiker Michael Patrick Kelly in der Mainzer Christuskirche ein Zeichen für den Frieden. Er enthüllte in dem evangelischen Gotteshaus im Rahmen seines Projekts "#PeaceBell" eine aus Waffen gegossene Glocke.

Für sie hatte der einst mit der Kelly-Familie bekannt gewordene Künstler Waffen aus der im Ersten Weltkrieg stark umkämpften Region um Verdun gesammelt und einschmelzen lassen. Die Friedensglocke soll nun mit Kelly auf Konzerttournee gehen, um bei Konzerten jeweils eine Friedensminute einzuläuten.

AZ: Herr Kelly: Sie haben im Herbst gerade ihr Album "iD Live" veröffentlicht, eine musikalische Mischung von richtigen Hard-Rock-Stücken über Balladen bis hin zum Ethno-Pop. Wo fühlen Sie sich musikalisch am meisten zuhause
MICHAEL PATRICK KELLY: Ich bin im Pop, Rock und Folk zuhause, aber ich muss sagen, dass meine Erfahrung 2017 bei "Sing meinen Song" mir noch einmal den Horizont erweitert hat. Ich hatte mich nie zuvor mit einem Reggaekünstler so intensiv ausgetauscht wie mit Gentleman. Und HipHop mit Moses Pelham zu machen, war auch eine tolle Erfahrung. Ich habe mich einfach auf neue Dinge eingelassen. iD steht für mich nicht nur für Identität, das sind ja auch die Initialen von "in development", also "in Entwicklung". Als Musiker versuche ich für das Neue offen zu sein, mir gewissermaßen eine kindliche Weltsicht für das Neue zu bewahren.

Michael Patrick Kelly genießt die Freiheit

Sie sind schon unglaublich lange dabei im Musikgeschäft, anderseits waren Sie auch unglaublich lange weg im Kloster. Wie schützt man sich nach so einer Auszeit davor, nicht zu schnell in diesem Geschäft wieder zu verbrennen?
Die sechs Jahre im Kloster haben mir auf jeden Fall geholfen, aufzuräumen, mein Leben neu zu ordnen, Dinge mit mir selber zu klären und den für mich wichtigsten Fragen des Lebens auf den Grund zu gehen. Markus Lanz hat mich mal gefragt, warum ich für Gott meine besten Jahre zwischen 27 und 33 "verschenkt" hätte. Meine Antwort war: "dem Besten das Beste." Heute lebe ich viel bewusster und genieße als Solokünstler eine große Freiheit, die ich früher als Teil einer Band - wo man viele Kompromisse machen muss - nicht hatte.

Aber Sie spüren jetzt früher, wenn Ihnen der Stress zu viel wird?
Auf jeden Fall. Ich sage im Moment mehr ab als zu. Ich könnte 365 Tage im Jahr unterwegs sein, in Koch- und Tanzsendungen auftreten, aber was soll ich da? Ich bekomme vielleicht zwei Spiegeleier hin und einen Walzer (lacht). Außerdem bin ich kein Promi, sondern Musiker. "The Voice of Germany" ist etwas anderes, das ist eine Unterhaltungsshow mit Substanz, nämlich Musik. Das gilt auch für "Sing meinen Song". Um heute die Balance zu halten mache ich Holidays, also Urlaub, und Holy Days, da ziehe ich mich in Klöster und in die Natur zurück. Das mache ich vielleicht zwei-drei Mal im Jahr, um mich zu sortieren und aufzutanken. Ich gehe dann offline und kopple mich ab von der Welt.

Ihr Glaube kommt bisweilen in den Songs vor, aber "iD" ist kein Bekehrungsalbum.
Nein, das ist kein religiöses Album. Meine Vorbilder sind Bruce Springsteen, Bob Dylan, U2 und ich habe erst später entdeckt, dass sie alle Christen sind. Die haben auch bisweilen spirituelle Texte gemacht, aber nicht nur. Ich mag auch Songs lieber, die nicht so eindeutig sind und offener interpretiert werden können. Eine Ausnahme habe ich allerdings bewusst gemacht, als ich vor zwei Jahren mein Album "Ruah" aufgenommen habe, das eine Retrospektive auf meine Zeit im Kloster ist, also ausschließlich spirituelle Songs enthält. Ein oder zwei davon spiele ich auch bei meinen Konzerten.

Michael Patrick Kelly - das ist seine besondere Beziehung zu München

Sie arbeiten sehr lange an den einzelnen Songs.
Ja, man sollte sich auch Zeit nehmen, finde ich. Ich bekomme auch unglaubliche Rückmeldungen von meinem Publikum. Manche haben mir geschrieben, dass sie zu "Shake Away" geheiratet haben, oder es gibt Schüler, die ein Referat halten wollen über "iD", und die fragen mich nach Tipps zur Deutung. Daran merke ich, dass meine Texte für manche Leute wirklich Relevanz haben. Es gibt so viele Dinge, über die man schreiben kann, die auch wichtig für andere sein können. Und dafür muss man offen und aufmerksam sein. Es sind gewissermaßen dauernd Songs in der Luft, man muss sie nur hören und aufgreifen. Das ist der Job eines Songwriters.

Sie kennen Ruhm von Kindheit an, haben aber auch lange darauf verzichtet. Wie wichtig ist Ihnen das Gefühl, auf der Bühne zu stehen?
Ich liebe die Bühne. Live zu spielen ist zusammen mit dem Songschreiben, das schönste an meinen Beruf. Die Zeit im Kloster hat mich von vielen Dingen frei gemacht, vor allem aber von mir selbst, da wo ich mir selbst im Weg stand, oder wo Ängste einen davon abgehalten haben das Richtige zu tun. Wenn man den Mut hat, sich wirklich selber in Frage zu stellen, alle Karten auf den Tisch zu legen, dann ist das erst einmal ein schmerzhafter Prozess, weil man seine Schwächen und Fehler eingestehen muss. Aber es tut dann auch gut davon frei zu werden. Sagen wir es so: Ruhm interessiert mich nicht, Erfolg schon. Persönliche Resonanzen zu meiner Musik bedeuten mir mehr als die Quantität des Geschäfts. Ich habe beispielsweise einen Brief bekommen von einer Frau, die kurz davor stand, sich die Adern aufzuschlitzen. Dann lief im Hintergrund mein Song "Hope" und sie ist weinend zusammengebrochen. Sie hat dann keinen Selbstmordversuch unternommen. Ich meine, welchen größeren Erfolg könnte ich als Künstler haben? Das ist was ich mit qualitativem Erfolg meine; die Wirkung, die meine Musik auf das Leben des einzelnen haben kann. Damit wir uns aber nicht falsch verstehen: Über die Platinplatte für "iD" habe ich mich natürlich sehr gefreut, aber streng genommen ist eine Platin Auszeichnung ja auch nur ein Symbol für eine quantitative Zahl von verkauften Alben.

Sie spielen am 15. September 2019 auf dem Königsplatz, haben Sie eine besondere Beziehung zu München?
Auf jeden Fall. Ich wohne in Niederbayern auf einem Bauernhof und genieße dort meine absolute Ruhe. Aber ich bin sehr gerne in München und habe mir viele Konzerte hier angeschaut, die wahnsinnig gut waren: Bruce Springsteen beispielsweise im Olympiastadion oder Mumford & Sons in der Olympiahalle. Auf dem Königsplatz selbst habe ich noch kein Konzert besucht, aber ich freue mich besonders auf den Abend dort, weil es mein Tour Abschluss ist. Und es wird ein paar Gäste und Überraschungen geben.