Nach dem Triumph

Handball-Sensation mit Folgen: Wie Vereine den EM-Sieg erleb(t)en


Der EM-Titel der Nationalmannschaft rückte den Handball in den Mittelpunkt.

Der EM-Titel der Nationalmannschaft rückte den Handball in den Mittelpunkt.

Von Felix Hüsch

Inzwischen sollte es auch zu jedem bedingungslosen Fußball-Fanatiker durchgedrungen sein: Gut zwei Wochen sind seit dem Wintermärchen in Polen vergangen und Deutschland ist Handball-Europameister - immer noch. Doch wie steht es um die Begeisterung für die kürzlich ins Rampenlicht gerückte Randsportart auf regionaler Vereinsebene? Mediale Eintagsfliege oder doch echter Durchbruch eines Sports, dessen Mutterland nicht England sondern tatsächlich Deutschland heißt? Wir haben uns mit einigen Verantwortlichen größerer Vereine in Niederbayern und der Oberpfalz unterhalten.

Uli Reitmeier ist Jugendleiter und Trainer der Damen sowie der männlichen B-Jugend des ASV Cham. Ihn freut der euphorische Schub, der die Handballabteilung während der EM mitgerissen hat, besonders: "Wir haben bei jedem Spiel Public Viewing gemacht, das von Sieg zu Sieg auch immer besser besucht war. Das Finale lief dann sogar auf Leinwand, während im Nebenraum das Bundesliga-Spiel der Bayern am normalen Fernseher übertragen wurde - hat man auch nicht alle Tage. Man spürt die Begeisterung auch bei den Fahrten zu Auswärtsspielen, wenn es für die Jungs und Mädels plötzlich kein anderes Gesprächsthema mehr gibt, als diese EM", betont Reitmeier. Auch die Sammelbestellung eines EM-Shirts nach dem Turnier stieß mit über 60 Bestellungen im Jugendbereich auf großes Interesse.

Personell gesehen gab es wohl noch keinen wesentlichen Zuwachs. Lediglich in der E-Jugend sind ein paar neue Gesichter dabei. Trotzdem macht der ASV Cham seit der letztjährigen Gründung der JHG Regendreieck, einer Spielgemeinschaft aus Bad Kötzting, Roding und Cham, gerade im Jugendbereich eine große Entwicklung durch und wird auch weiterhin alles daran setzen, den Nachwuchs zu fördern und die Werbetrommel für den Handball zu rühren.

Handball im Norden eine größere Hausnummer

Auf die Sportart an sich aufmerksam zu machen, hat auch in Regensburg oberste Priorität. "Und das ist gerade hier bei uns gar nicht so einfach", meint Dieter Müller, 1. Abteilungsleiter des ESV 1927 Regensburg. Seiner Ansicht nach ist es aufgrund der größeren Handballbegeisterung in Norddeutschland und Baden-Württemberg schwierig, den ohnehin stark skandinavisch geprägten Sport auch in Bayern zu etablieren. Doch dafür ist so ein EM-Sieg ja da - um genau Das zu erleichtern. "Deshalb bietet der Deutsche Handballbund (DHB) seit einem knappen Jahr Schulprojekte an, die überall greifen können", weiß Müller zu berichten.

Auf Landesebene schließt man sich dieser Idee an. Der Bayerische Handball-Verband (BHV) versucht ebenfalls durch ein Schulprojekt, Kinder in sehr jungen Jahren an den Handball heranzuführen. Dabei wird auf weiche Methodik-Handbälle zurückgegriffen, mit denen man schneller die richtige Technik erlernen kann. Immer größer wird die Resonanz bei den Handball-Lehrgängen für Sportlehrer der 5. und 6. Klassen.

Der ESV 1927 Regensburg selbst hat eine Kooperation mit zwei Schulen in der Bezirkshauptstadt. Dort werden jeweils freiwillige Handball-Kurse angeboten. Mit 20 und 25 Kindern trägt die Arbeit bereits ordentlich Früchte - findet auch Dieter Müller: "Da kommt wirklich was bei herum. Trotzdem muss man abwarten, wie lange der große Handballrausch wirklich andauern kann. Noch besteht er, aber hier sehe ich jetzt auch das Kultusministerium für Sport in der Pflicht, auf den Zug mit aufzuspringen."

"Euphorie wurde von Spiel zu Spiel größer"

Auch der Vereinsvorsitzende der HSG Straubing, Tobias Zollner, begrüßt den Hype, den der Titel mit sich bringt. "Wir hatten vor allem im Endspiel einen unglaublichen Marktanteil, was die TV-Quoten angeht. Man hat bei unseren Jungs und Mädels förmlich gesehen, wie die Euphorie von Spiel zu Spiel größer wurde und in unserem regelmäßigen Schnuppertraining schauten mehr Kinder vorbei als sonst." Außerdem merkt man laut Zollner vielen Jugendspielern zurzeit an, dass sie bei den einzelnen EM-Helden sehr genau hingeschaut haben. "In jedem Training kommen sie mit neuen Trickwürfen um die Ecke, die sie dann aus allen Lagen ausprobieren wollen. Das ist schon gut, wenn es auch im Handball mal Idole gibt, die man namentlich kennt und denen man nacheifern kann."

Vorbilder kann man nicht früh genug haben

In Landshut stehen die Zeichen bisher ebenfalls noch auf Handball-Durchbruch. Jürgen Frank ist Abteilungsleiter der TG Landshut und kann über die Entwicklung im Jugend- und Bambini-Bereich nicht klagen. "Sowohl bei unseren Vier- bis Sechsjährigen als auch in der E- und F-Jugend sind wir mit der Entwicklung zufrieden. Wir konnten durch die EM zwar keine Welle an Neuankömmlingen empfangen, begrüßen die zunehmende Wahrnehmung aber sehr und können davon auch selbst profitieren."

Frank meint nämlich, dass die Jugendlichen in etwa ab der C-Jugend alt genug sind, selber zu merken, wenn ihrem Sport mehr Beachtung geschenkt wird als sonst. "Es ist wichtig, wenn man das möglichst früh versteht, damit noch genug Zeit ist, sich an denen zu orientieren, die es weit gebracht haben. Vor allem in einem Verein, wie dem unseren, bei dem die erste Mannschaft in der Bayernliga spielt und eine Art Vorbildfunktion einnimmt."

Das alles lässt weiterhin auf eine positive Entwicklung hoffen und zeigt zumindest, dass Handball kein "sterbender" Sport ist. Am Thron von König Fussball werden auch unsere EM-Helden nicht rütteln können und der Handball wird auch weiterhin in Norddeutschland eine größere Rolle spielen als im Süden. Trotzdem lieben zunehmend mehr Menschen das schnelle, körperbetonte Spiel und wer weiß, wozu unsere "Bad Boys" bei der kommenden WM und Olympia fähig sind.

100 ASVler und JHGler schauen beim Wintermärchen zu!Vielen Dank ans L.A. Cham , die für uns die Eventhalle geöffnet haben !!

Posted by ASV Cham Handball on  Sonntag, 31. Januar 2016