Zeitung früher

Wie Journalist werden? Über ein Ferienvolontariat in den 1970er-Jahren

Vor mittlerweile 54 Jahren war das mit dem Arbeiten in einer Redaktion noch anders: Ein damals aufstrebender junger Journalist erinnert sich an seine Zeiten bei der "Landshuter Zeitung" und dem "Straubinger Tagblatt".


Volontär Johann Haslauer 1971 in der Straubinger Lokalredaktion

Volontär Johann Haslauer 1971 in der Straubinger Lokalredaktion

Von Redaktion Landshut Stadt

Gerade zurück von einer Tramptour durch Irland nach dem Abitur am Landshuter Carossa-Gymnasium begann ich im September 1970 ein Ferienvolontariat in der Lokalredaktion der "Landshuter Zeitung".

Ich wollte später "irgendwie" Journalist werden und da einfach mal reinschnuppern. Dazu hatte ich beim damaligen Chef vom Dienst (CvD), Dr. Erwin Goebel, in der Redaktion in der Ländgasse vorgesprochen. Dort, wo damals die ganze Produktion untergebracht war: die Druckerei samt Setzerei (Blei), Mettage und Anzeigenabteilung. Kahles Treppenhaus mit der Anmutung eines Amtes. Goebel verwies mich am ersten Tag gleich an den "Katzentisch" in seinem Büro und gab mir ein Bündel eingesandter Kurzgeschichten für die Wochenendausgaben zu lesen - ich sollte die verwendbaren heraussuchen.

"Alle waren sie Raucherin der Redaktion"

Da war ich also in der Redaktion der Lokalzeitung angekommen, sah aus den Augenwinkeln heraus dem Treiben zu. Hatte diesen typischen Druckereigeruch in der Nase und den Tabakgeruch des strengen Rauchers. Alle waren Raucher in der Redaktion - Wilhelm Heizer, Helmut Schönstein von der Stadtredaktion, noch ganz jung damals, und Wolfgang Proebst.

Ich hatte von solchen Zeitungsredaktionen immer nur in Romanen gelesen, für Politik nicht sonderlich interessiert und für Lokalpolitik schon gar nicht. Nun saß ich in der Schaltzentrale der publizistischen Macht in Landshut, wo der Chef vom Dienst den ganzen Tag nur Zeitungen durchzublättern schien, die er auf seinem Schreibtisch zu immer höheren Stapeln aufhäufte. Nebenher telefonierte er oder schrieb Anweisungen auf kleine Zettel für die Technik oder fürs Sekretariat.

Wenn ihm dann zweimal pro Woche der Straubinger Verleger seinen Besuch abstattete, Dr. Georg Huber, sein alter Studienfreund, musste ich meinen Platz räumen und auf einen anderen Katzentisch in einem anderen Büro ausweichen, wo ich mir ebenso fehl am Platz vorkam. Das Gleiche war der Fall, wenn einer dieser Lokalpolitiker kam, um eine wichtige Angelegenheit mit ihm zu besprechen. Der CvD war ein gefragter Mann.

Nach und nach wurde ich dann etwas mehr eingebunden, durfte zu Terminen, zu einer Herbst-Winter-Modenschau für Kinder bei Oberpaur etwa, zur Vorstellung des Programms der Katholischen Jugend oder der Einweihung einer Kunst-am-Bau-Plastik vor einer neuen Wohnanlage. Da saß man dann anschließend mit dem Bauherrn, dem Architekten und dem Künstler an den Biertischen im Keller, der Oberbürgermeister war auch da, und der Herr Pfarrer. Wieder wurde ich dieses Gefühl der Fremdheit nicht los. Es gab warmen Leberkäs, eine Halbe Helles und ein paar freundliche Worte vom damaligen OB Herrn Deimer. "Aha, Sie wollen also Journalist werden? Interessant. Das hätt' ich auch machen wollen, wenn ich nicht Politiker geworden wär'."

Die zwei Monate des Ferienvolontariats waren schnell vorbei, und ich nahm in München das Studium der Zeitungswissenschaft auf. Das klang damals schon altbacken. In der Redaktion hatten sie mir alle davon abgeraten; ich sollte doch was G'scheites studieren. Geschichte oder so. Aber ich wusste halt auch nicht, was.

Was dann geboten wurde, hat mich dennoch wirklich fasziniert, thematisch zwischen den Modefächern Soziologie, Psychologie und Politologie. Mit ein bisschen Mediengeschichte dazu, Habermas-unterfüttert. Dessen "Strukturwandel der Öffentlichkeit" war in aller Munde, auch wenn der wirklich große Umbruch noch bevorstand.

"Der Mitbestimmungsanspruch der Redakteure" hieß mein Thema im Roegele-Seminar zur politischen Dimension im Kommunikationsprozess, ganz auf der Höhe der Zeit. Oder: "Die Konzentration im Pressewesen der BRD" (galt nicht für uns in Niederbayern), und in einem weiteren Seminar durfte ich bei Glotz/Langenbucher eine inhaltliche Analyse meiner Heimatzeitung machen, wo ich thematisch aufgeschlüsselt nach eigenrecherchierten Artikeln und verwendetem Fremdmaterial letztlich die Zeilen dieser Bleiwüsten zählte - fast alles schwarz-weiß, erste farbige Stuyvesant-Anzeigen hauten schon extrem rein! - und dann am Ende, als mein Fazit feststellen durfte, dass da im Lokalteil der "Landshuter Zeitung" der Amtsschimmel kräftig wiehere.

Im Frühjahr wollte ich mein Ferienvolontariat fortsetzen, wurde wieder akzeptiert und diesmal nach Straubing beordert, ins Haupthaus des Verlags, wo ich ebenfalls in der Lokalredaktion arbeiten sollte. Paul Hagenauer war da Chef. Eine eindrucksvolle Person für mich.

Er schrieb auch die Theaterbesprechungen selbst - ein Feuilleton gab es noch nicht - und kämpfte vehement für seine Stadt in Fragen der Gebietsreform. Von ihm fühlte ich mich angenommen, und er verbreitete in seiner Redaktion eine gute Stimmung. Trotz seines Spruchs "Wes' Brot ich ess', des' Lied ich sing", der mir nicht so gefallen wollte.

In Straubing schrieb man damals mehr selbst

Manches war anders als in Landshut. In der Straubinger Redaktion schrieb man mehr selbst, machte dafür auch nur zwei Lokalseiten statt der drei bis vier in der LZ. Und es gab da noch eine Volontärin, Hannelore Meier, eine junge, zierliche, zurückhaltende Kollegin, auch kulturell sehr interessiert. Einen jungen Haudrauf mit österreichischem Zungenschlag gab es auch, der oft von seinen Touren durch die Straubinger Nachtszene erzählte. Da war wohl entschieden mehr geboten als in Landshut. Mich aber interessierte das nicht so sehr. Doch zwei Monate sind zu kurz, um eine fremde Stadt richtig kennenzulernen. Es war alles aufregend genug, und die Lokalredaktion war meine Familie. Ich wohnte in einer billigen Pension in einer der engen Gassen im Zentrum. Dickes Gemäuer, düster, kalt, feucht. In der Nacht zum Freitag konnte ich dann immer mit dem Verlagsfahrer nach Landshut zurückfahren, der die Mantel-Seiten der Gesamtausgabe in Form von schweren Bleizylindern in die Landshuter Rotation brachte. Auch am Straubinger Ludwigsplatz war die Druckerei damals noch im Haus. Sie befand sich im hinteren Gebäude-Trakt. In der Setzerei im Verbindungsbau hatte man bereits die neueste Technik: Der Satz wurde auf Lochstreifen erfasst, mit denen die Linotype-Maschinen gefüttert wurden - ein erster Zwischenschritt auf dem Weg vom Analogen zum Digitalen. Worauf alle mächtig stolz waren, hier ganz vorne dabei zu sein (in den USA wurde gerade der PC erfunden). Der Verleger war überall präsent, brachte sich auf allen Ebenen ein, kümmerte sich und hatte stets das letzte Wort.

Es war sehr stimmig in diesem Familienbetrieb, und auch die Nachfolge war schon geregelt: Dr. Hermann Balle, der Schwiegersohn des Verlegers, saß als Adjutant im holzgetäfelten Verleger-Büro bei allem aufmerksam dabei. Das Sagen aber hatte unter allen Besserwissern in Politik, Wirtschaft oder Sport der Alte. Er hat sich in meiner kurzen Zeit dort nur einmal vertan, als er mich wegen eines krankheitsbedingten Ausfalls in der Chamer Außenredaktion in den "Wald" schickte. Einen Führerschein hatte ich ja. Das reichte aber nicht, wie die dortige Restredaktion befand, als ich ankam. "Der hilft uns nix," riefen sie gleich den Verleger zurück, "der kann ja gar nichts und kennt niemanden." Na ja, dann sollte ich halt wieder nach Straubing zurückfahren. Peinlich.

Vom Friedhof zu den Jungsozialisten

Dafür schrieb ich für die Osterausgabe eine schöne Bildreportage über den alten Friedhof von St. Peter, ein historisches Kleinod am Rande der Stadt mit einem geheimnisumwehten, verträumten Zauber. Meine Habilitation in der Lokalredaktion. Dafür war der Bericht über das "Sit-in" einer "Roten Zelle", als Ortsverband einer "Aktionsgruppe unabhängiger Schüler" in der Gaststätte Karmeliten nicht ganz so gelungen. Es war für mich schwierig genug gewesen, zu diesem Exotenhaufen von bebrillten Langhaarigen halbwegs Zugang zu finden, die mich in meiner feinen Journalisten-Lederjacke eher als Büttel des kapitalistischen Feindes betrachteten, noch dazu, als "der" auch ein Foto machen wollte. Da sollte ja niemand drauf erkennbar sein, denn "Rote Zellen" galten als etwas höchst Gefährliches, was gar nicht reinpasste in die behäbige, bäuerliche Kleinstadt im Herzen des Gäubodens. Zum Glück für alle erwies sich mein Foto aber als unscharf. Zwar Beweis genug für meine Anwesenheit in diesem dubiosen Milieu, aber andererseits konnte man auch die Söhne von sonsthin höchst respektierten Bürgern der Stadt nicht richtig erkennen, was zur allgemeinen Erleichterung beitrug. Ansonsten stand mühselige Kleinarbeit an. "Mehr Komfort für die Camping-Gäste" über die Vergrößerung des Aufenthaltsraums des städtischen Campingplatzes, oder wie sich das Kaufhaus Hafner bereits auf die Feriensaison eingestellt hat: "Man muss nicht auf den Sommer warten." Die Themen für Volontäre eben. In Straubing hätte ich schon länger bleiben wollen. Der Hagenauer hätte mich dann auch zum Ruderverein an der Donau mitgenommen, und die Meier zum Tennis. Ich setzte aber mein Studium im ungleich aufregenderen, vorolympischen München fort, um dann die nächsten Ferien mit einer längeren Amerikareise zu verbringen. Da spielte für mich die Musik! Die Qualität von Beständigkeit - wie sie sich besonders in einer Heimatzeitung darstellt - erkannte ich erst viel später. Die behäbigen, amtsschimmeligen niederbayerischen Kleinstädte hatten für mich im Moment jeden Reiz verloren. Da hatten meine Wurzeln noch nicht ihre Wirkung auf mich entfaltet.

Zum Autor Johann Haslauer, geboren 1950 in Landshut, war in den späten 1970er-Jahren in der Redaktion des Landshuter "Wochenblatts" tätig, gab in den 1980er-Jahren das lokale alternative Stadtmagazin "Landshuter Statt&Landbuch" heraus, arbeitete anfangs der 1990er-Jahre drei Jahre als Metteur in der LZ-Technik (Klebeumbruch), bevor er 1994 wieder das Feld wechselte und bis 2015 Vertriebsleiter bei Presse Grosso Zöttl war. Von 2016 bis 2021 lieferte er als einer der "Stadtzeichner" wieder sporadisch Beiträge für den Lokalteil der LZ.


Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Beilage "175 Jahre Mediengruppe Attenkofer".